Bür­ge­rin­nen und Bürger als Motor der Energieeffizienz

Stra­ßen­szene in Lemberg © Marco Fieber/​flickr (CC BY-NC-ND 2.0)

Der Ener­gie­ver­brauch der Ukraine ist enorm und muss aus öko­no­mi­scher und öko­lo­gi­scher Sicht drin­gend redu­ziert werden. Bisher standen dem ver­al­tete Rege­lun­gen im Weg. Bür­ger­en­ga­ge­ment eröff­net nun neue Mög­lich­kei­ten zur Stei­ge­rung der Energieeffizienz.

Die Ukraine ist eines der Länder welt­weit, das sowohl pro Kopf als auch gemes­sen an der Wirt­schafts­leis­tung am meisten Energie ver­schwen­det. Mit einer Ener­gie­ef­fi­zi­enz wie im benach­bar­ten Polen müsste die Ukraine keine Energie mehr impor­tie­ren und würde in der ersten Liga beim Kli­ma­schutz mit­spie­len. Das ist nicht neu, ebenso wie das Enga­ge­ment inter­na­tio­na­ler Partner, dem Land bei der Ver­bes­se­rung der Ener­gie­ef­fi­zi­enz zu helfen. So sind seit der Unab­hän­gig­keit 1991 etliche Pilot­pro­jekte zur Häu­ser­sa­nie­rung ent­stan­den, Kin­der­gär­ten und Schulen wurden reno­viert, Heiz­werke moder­ni­siert. Gleich­zei­tig sind aber inter­na­tio­nale Mecha­nis­men und Finanz­hil­fen zur Ener­gie­ein­spa­rung, zum Bei­spiel im Rahmen des Kyoto-Pro­to­kolls, durch Miss­wirt­schaft und Kor­rup­tion oft der­ma­ßen ent­stellt worden, dass sie kei­ner­lei Brei­ten­ef­fekt ent­fal­ten konnten.

Majdan zwingt zum Über­den­ken des Energieverbrauchs

Nach dem Majdan änderte sich die ener­gie­po­li­ti­sche Groß­wet­ter­lage ein­schnei­dend. Russ­land hatte seine Gas­lie­fe­run­gen an die Ukraine stets an poli­ti­sche Bedin­gun­gen geknüpft. Bisher gewährte Preis­nach­lässe für poli­ti­sches Wohl­ver­hal­ten wurden nun auf­ge­kün­digt, sodass die Ukraine für rus­si­sches Gas viel mehr zahlen musste als Länder wie Deutsch­land, obwohl die Trans­port­kos­ten in die Ukraine wesent­lich gerin­ger sind. Der ukrai­ni­schen Regie­rung wurde klar, dass mit bil­li­gem Gas aus Russ­land nicht mehr zu rechnen war. Gleich­zei­tig dräng­ten inter­na­tio­nale Geld­ge­ber auf eine schritt­weise aber dras­ti­sche Redu­zie­rung der Sub­ven­tio­nen für billige Energie, die dazu bei­getra­gen hatten, den Staats­haus­halt in den Ruin zu treiben und vor allem Groß­ver­brau­chern und Zwi­schen­händ­lern wie dem Olig­ar­chen Dmytro Fir­tasch nützten.

In dieser Zwick­mühle wurde allen Ver­ant­wort­li­chen schnell klar, dass drin­gend Energie gespart werden musste – und zwar vor allem im Woh­nungs­be­reich, um die Ener­gie­kos­ten für die Bür­ge­rin­nen und Bürger, aber auch für den Staat, nicht durch die Decke gehen zu lassen. Bereits 2014 wurden mit Unter­stüt­zung der EU erste mas­sen­wirk­same Ener­gie­spar­pro­gramme auf­ge­legt. Viele Men­schen erhiel­ten relativ unbü­ro­kra­tisch Zugang zu zins­ver­bil­lig­ten Kre­di­ten für ein­fa­che Maß­nah­men zur Ver­rin­ge­rung der Ener­gie­ver­luste in ihren Woh­nun­gen und Häusern, zum Bei­spiel für den Einbau neuer Fenster. Dieses Pro­gramm „Warmer Kredite“ wurde durch eine Auf­klä­rungs­kam­pa­gne beglei­tet, die den Ukrai­ne­rin­nen und Ukrai­nern sowohl die Effekte für ihren Geld­beu­tel als auch für die natio­nale Sicher­heit vor Augen führte.

Ein Monopol und die ver­wor­rene Rechts­lage erschwe­ren Renovierungen

Solche Maß­nah­men reichen aber natür­lich nicht, um die benö­tig­ten dras­ti­schen Ein­spa­run­gen zu erzie­len. Ange­sichts des Zustan­des vieler Wohn­häu­ser ist eine Grund­sa­nie­rung oft unab­ding­bar. Dies schei­terte jedoch bisher an der ver­wor­re­nen Rechts­lage aus den 1990er Jahren, als die Woh­nun­gen an die darin Woh­nen­den pri­va­ti­siert wurden, das Gemein­ei­gen­tum aber seinem Schick­sal über­las­sen blieb. Wenn nun der Fahr­stuhl oder das Dach repa­riert werden mussten, ging das nur mit der Zustim­mung aller Eigen­tü­me­rin­nen und Eigen­tü­mer, die auch alle einen (unge­re­gel­ten) Beitrag zur Bezah­lung leisten mussten – in der Praxis ein Ding der Unmöglichkeit.

Hinzu kam, dass alle Dienste um das Haus nur von einem Mono­po­lis­ten erbracht werden durften. Nicht umsonst hat die Bezeich­nung dafür – „ZhEK“ – in der Ukraine einen üblen Leumund. Auch waren vielen Men­schen die realen Kosten für Energie, und damit die zu erzie­len­den Ein­spa­run­gen, oft gar nicht klar – es gab schlicht und ergrei­fend keine Zähler zur Messung des Ver­brauchs, und selbst dort, wo es sie gab, wurde oft nicht nach Zäh­ler­stand sondern nach aus der Sowjet­zeit stam­men­den Ver­brauchs­nor­men abge­rech­net. Bür­ger­en­ga­ge­ment wurde damit unmög­lich gemacht, die Wohn­häu­ser ver­fie­len weiter.

Umschwung durch Ener­gie­ef­fi­zi­enz­fonds und Wohneigentümergemeinschaften

Bür­ger­be­wegte Juris­ten machten sich nach dem Majdan zusam­men mit einigen neu gewähl­ten Par­la­men­ta­ri­ern daran, genau dies zu ver­än­dern. Schnel­ler als der allzu oft schwer­fäl­lige Regie­rungs­ap­pa­rat das ver­mocht hätte, wurden Gesetze zu Wohn­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaf­ten (WEGs), zu kom­mu­na­len Dienst­leis­tun­gen, zu Ener­gie­ef­fi­zi­enz von Gebäu­den, zur Heiz­kos­ten­ab­rech­nung vor­be­rei­tet. Diese Gesetze wurden dann Zug um Zug, nach zähem Wider­stand der Pro­fi­teure des alten Systems und langen Debat­ten, vom Par­la­ment verabschiedet.

Ab 2015 ent­stan­den überall im Land neue WEGs. Sie ver­net­zen sich unter­ein­an­der und bilden eine solide Basis, die die Reno­vie­rung ihrer Häuser nun in die eigenen Hände nehmen kann. Ein großes Problem ist jedoch die Finan­zie­rung, denn bei einem offi­zi­el­len Durch­schnitts­ein­kom­men von 240 Euro im Monat gibt es prak­tisch keinen Spiel­raum für kos­ten­auf­wän­dige Sanierungsmaßnahmen.

Genau hier setzte im Dezem­ber 2017 die Regie­rung an und bildete einen spe­zi­el­len Ener­gie­ef­fi­zi­enz­fonds, der mit rund 150 Mil­lio­nen Euro (aus öffent­li­chen Mitteln der Ukraine, der EU und Deutsch­lands) solide aus­ge­stat­tet ist und auf den nur WEGs zugrei­fen können. Damit diesen Fonds nicht das gleiche Schick­sal von Ver­un­treu­ung und Miss­wirt­schaft ereilt wie früher zum Kli­ma­schutz unter dem Kyoto-Pro­to­koll bereit­ge­stellte Mittel, wird das Manage­ment gemein­sam mit der (zur Welt­bank gehö­ren­den) Inter­na­tio­nal Finance Cor­po­ra­tion betrieben.

Erwach­tes Bür­ger­en­ga­ge­ment muss Gesetze nun mit Leben erfüllen

Wo hat nun das Enga­ge­ment der Bür­ge­rin­nen und Bürger in dieser neuen Rech­nung seinen Platz? Zunächst einmal wären weder die grund­le­gen­den Gesetze noch die Viel­zahl der WEGs ohne den aktiven Druck und die Teil­nahme vieler, vieler Bürger ent­stan­den. Es waren auch Akti­vis­tin­nen und Akti­vis­ten der Zivil­ge­sell­schaft, die von Anfang an den Dialog mit den inter­na­tio­na­len Part­nern der Ukraine gesucht haben, um gemein­sam Lösun­gen für die Finan­zie­rung von Ener­gie­spar­maß­nah­men zu finden, die sowohl in allen Regio­nen des Landes für breite Bevöl­ke­rungs­schich­ten ver­füg­bar sind, als auch euro­päi­schen Stan­dards von Trans­pa­renz und Effi­zi­enz genügen. Dem­entspre­chend werden Akti­vis­ten der Bür­ger­be­we­gung die Arbeit des Ener­gie­ef­fi­zi­enz­fonds wachsam und kri­tisch beglei­ten, gerade auch vor dem Hin­ter­grund der mas­si­ven Ver­un­treu­ung ähn­li­cher Mittel in der Vergangenheit.

Bür­ger­en­ga­ge­ment wird aber vor allem der Schlüs­sel zum Erfolg sein, um die beschlos­se­nen Gesetze nun mit Leben zu erfül­len. WEGs wurden schon viel­fach gegrün­det, aber werden diese sich auch vom ange­stamm­ten Mono­po­lis­ten, dem berüch­tig­ten „ZhEK“, eman­zi­pie­ren? Werden neue Anbie­ter von kom­mu­na­len Dienst­leis­tun­gen ent­ste­hen, auch selbst­ver­wal­tete? Recht­lich ist das jetzt möglich. Werden die Men­schen darauf bestehen, nur die Energie zu bezah­len, die sie auch wirk­lich ver­braucht haben – oder werden sie sich, wie früher oft der Fall, von den bis­he­ri­gen Nutz­nie­ßern des Systems ein­re­den lassen, dass das alte System der Abrech­nung nach Qua­drat­me­tern oder Größe der Familie besser sei? Und werden sich viele WEGs an den neuen Ener­gie­ef­fi­zi­enz­fonds wenden, um ihre Häuser zu reno­vie­ren? Schließ­lich werden dabei erheb­li­che Eigen­in­itia­tive und ein finan­zi­el­ler Beitrag ver­langt, der oft mit Bank­kre­di­ten abge­deckt werden muss. Das Jahr 2018 wird darüber mehr Klar­heit bringen.


Unter Mit­ar­beit von Nadiya Vertebna.

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