Die Ukraine öffnet sich: Was bedeu­ten H&M, Ryanair und IKEA für die Ukraine?

© Ian Bateson

Im Jahr 2018 kamen mit H&M und Ryanair zwei welt­be­kannte euro­päi­sche Unter­neh­men auf den ukrai­ni­schen Markt. Zudem kün­digte IKEA die Eröff­nung eines ersten Geschäfts im Jahr 2019 an. Diese Nach­rich­ten wurden in der Ukrai­ner eupho­risch aufgenommen.

Einige Stunden vor der Eröff­nung des ersten H&M‑Geschäfts in der Ukraine standen bereits mehr als 400 Men­schen in der Schlange in Kiew. Unter jungen Ukrai­nern ist die Marke mit ihren auch für ukrai­ni­sche Ver­hält­nis­sen erschwing­li­chen Preisen sehr beliebt. Bisher mussten alle Ein­käufe auf Reisen in der EU oder Russ­land getä­tigt werden.

Eine ähn­li­che Eupho­rie wurde durch den Beginn der Ryanair Flug­ver­bin­dun­gen ver­ur­sacht. Zwar hatte die Ukraine bereits erste güns­tige Anbin­dun­gen durch Flug­ge­sell­schaf­ten wie WizzAir und Ernest Air­lines, aber die irische Airline steht für viele Ukraine sym­bo­lisch für güns­tige Ver­bin­dung der Ukraine mit Europa. Der erste offi­zi­elle Flug von Ryanair fand am 3. Sep­tem­ber auf der Strecke Kiew-Boris­pol nach Berlin-Schö­ne­feld statt. Weil die Nach­frage nach dieser Strecke extrem groß war, begann Ryanair sogar zwei Monate vor dem geplan­ten Termin.

Portrait von Vitalii Rybak

Vitalii Rybak ist Analyst und Jour­na­list bei Ukraine World und Inter­news Ukraine

IKEA hat einen ähn­li­chen „Kult­sta­tus“ bei den Ukrai­nern. Heute sind IKEA-Möbel für Ukrai­ner kaum mehr aus dem Haus­halt weg­zu­den­ken. Die Ein­rich­tungs­ge­gen­stände werden heute bereits fast überall in der Ukraine für ein viel­fa­ches des Ein­kaufs­werts (oft 20–30 Prozent) ver­kauft, da sie inof­fi­zi­ell aus Polen impor­tiert werden. Im nächs­ten Jahr werden die heiß­be­gehr­ten schwe­di­sche Möbel endlich offi­zi­ell in Kiew erhält­lich sein. Vor­he­rige Ver­su­che des schwe­di­schen Möbel­hau­ses, den ukrai­ni­schen Markt zu betre­ten, schei­ter­ten bereits 2010 und in der post-Maidan-Zeit an büro­kra­ti­schen Hürden sowie Kor­rup­ti­ons­an­schul­di­gun­gen.

Die (sym­bo­li­schen) Früchte der Euro­päi­schen Integration

Jedes dieser Unter­neh­men gehört in seinem Bereich gewis­ser Weise zu den Markt­füh­rern in der EU. Die Tat­sa­che, das sie ihre Akti­vi­tä­ten in der Ukraine auf­neh­men, bedeu­tet für die ukrai­ni­sche Gesell­schaft eine gefühlte bzw. greif­bare Annäh­rung an Europa.

Obwohl das Asso­zi­ie­rungs­ab­kom­men zwi­schen der Ukraine und der EU in 2014 unter­zeich­net wurde und schließ­lich gänz­lich im Sep­tem­ber 2017 in Kraft trat, hatten viele Ukrai­ner wenig greif­bare Ergeb­nis­sen wahr­ge­nom­men. Die wohl wich­tigste Aus­nahme war die Visa­frei­heit der Ukrai­ner. Seit 2016 können Ukrai­ner mit bio­me­tri­schen Rei­se­päs­sen für 90 Tage visa­frei in den Schen­gen­raum ein­rei­sen. Bisher haben nach Angaben des ukrai­ni­schen Prä­si­den­ten knapp 1.290.000 Ukrai­ner davon Gebrauch gemacht.

Natür­lich sind die Vor­teile des Asso­zi­ie­rungs­ab­kom­mens nicht auf visum­freies Reisen beschränkt. Es gibt auch Fort­schritte bei Refor­men, Zugang zum euro­päi­schen Bin­nen­markt sowie Unter­stüt­zung für kleine und mitt­lere Unter­neh­men usw.  Trotz­dem sieht ein Ukrai­ner, der bei­spiel­weise im öffent­li­chen Sektor arbei­tet, sich jedoch nicht täglich mit diesen Vor­tei­len, wie dem ver­ein­fach­ten Zugang zum Bin­nen­markt kon­fron­tiert. Er oder sie spürt auch nicht unmit­tel­bar die Fort­schritte der Anti­kor­rup­ti­ons­re­form, aber die Mög­lich­keit, ohne Visa in Grie­chen­land zur Ruhe zu kommen und nicht nur in der Türkei oder Ägypten, ist von immenser sym­bo­li­scher und prak­ti­scher Bedeu­tung für ihn bzw. sie. Die Präsenz von west­li­chen Firmen wie H&M, Ryanair und IKEA stehen des­we­gen für viele Ukrai­ner sinn­bild­lich für die Annä­he­rung der Ukraine an Europa. Diese Annä­he­rung schlägt sich erst­mals auch im Port­mo­nee der Ukrai­ner nieder, die erst­mals für knapp 20 Euro nach Groß­bri­tan­nien oder Deutsch­land fliegen können.

Ver­än­de­run­gen der ukrai­ni­schen Märkte

Je mehr Wett­be­werb auf einem Markt exis­tiert, desto größer der Nutzen für die Kunden. Jeder der betref­fen­den Unter­neh­men ist im Billig-Segment tätig und bietet den Ukrai­nern ein gutes Preis-Leis­tungs-Ver­hält­nis, das deut­lich über dem liegt, was ukrai­ni­sche Akteure am Markt anbie­ten. Alle andere Spieler im Bekleidungs‑, Möbel- und Luft­ver­kehrs­markt müssen jetzt H&M, Ryanair und IKEA berück­sich­ti­gen, wenn sie im Spiel bleiben wollen.

Auf dem Luft­ver­kehrs­markt hat dieser Prozess bereits begon­nen. Vor dem Ein­tritt von WizzAir und Ryanair konnte die Flug­ge­sell­schaft Ukrai­nian Inter­na­tio­nal Airline (UIA), die dem ukrai­ni­schen Olig­ar­chen Ihor Kolo­mo­js­kyj gehört, Preise von bis zu 300 Euro pro Strecke abrufen. Als Wizzair und Ryanair im Juli bzw. Sep­tem­ber ihre Flüge von Kiew auf­nah­men fielen die Preise von UIA unmit­tel­bar und deutlich.

Die wirt­schaft­li­che Entwicklung

Inves­ti­tio­nen von H&M, Ryanair und IKEA beein­flus­sen neben dem erhöh­ten Preis­druck auf hei­mi­sche Akteure auch die Wahr­neh­mung der Ukraine als Geschäfts­stand­ort. Alleine die Präsenz der Unter­neh­men deuten dar­auf­hin, dass die Wirt­schafts­re­for­men und die Bekämp­fung der Kor­rup­tion erste Früchte tragen und das Land auf dem rich­ti­gen Weg ist.

Für die Ukraine ist es jetzt sehr wichtig, dass diese Fälle erfolg­reich werden. Das Inves­ti­ti­ons­klima in der Ukraine ver­bes­sert sich langsam, aber um das inter­na­tio­nale Image der Ukraine ist es weniger gut bestellt. Leider sind noch der Krieg und die Kor­rup­tion die Themen, die am häu­figs­ten von euro­päi­schen und ame­ri­ka­ni­schen Medien auf­ge­grif­fen werden, wenn es um die Ukraine geht. Der Ein­tritt von H&M, Ryanair und IKEA kann jetzt als Signal für vor­sich­tige Inves­to­ren dienen: die Ukraine kann und muss ihr Geschäft aus­bauen. Des­we­gen ist es wichtig, dass diese Test­bal­lons gelin­gen und die betrof­fe­nen Unter­neh­men ihre Akti­vi­tä­ten im Land auch weiter ausbauen.

Vor­sich­ti­ger Optimismus

Trotz aller poten­zi­el­len Vor­teile für die Ukraine bleibt es für ukrai­ni­sche Unter­neh­men schwie­rig mit den euro­päi­schen Unter­neh­men zu kon­kur­rie­ren. Es ist wahr­schein­lich, dass nicht alle ukrai­ni­sche Unter­neh­men diesen Wett­be­werb bestehen und sich über Wasser halten werden. Darüber hinaus wird das Wachs­tum der Importe auch den Abzug von Fremd­wäh­rung aus dem ukrai­ni­schen Finanz­sys­tem erhöhen.

Deshalb muss die Ukraine die Inves­to­ren ermu­ti­gen, nicht nur Waren zu impor­tie­ren, sondern auch die Pro­duk­tion im Land zu erhöhen, um Arbeits­plätze zu schaf­fen. Gleich­zei­tig muss die Ukraine auch ihre eigenen Marken aktiver ent­wi­ckeln und auf dem inter­na­tio­na­len Markt fördern, um ihren Ein­fluss auf der inter­na­tio­na­len Bühne zu stärken. Schließ­lich haben qua­li­ta­tive ukrai­ni­sche Exporte von Mode bis zu Nah­rungs­mit­teln über Stahl­rohre Ein­fluss darauf, wie die Ukraine im Ausland wahr­ge­nom­men wird. Die Markt­ein­tritte von IKEA etc. sind wich­tige erste Symbole mit prak­ti­schen Aus­wir­kun­gen für viele Ukrai­ner. Trotz der kleinen Erfolge darf die Ukraine jetzt im Vor­wahl­jahr das Reform­tempo nicht ver­lang­sa­men nicht ver­lang­sa­men, sodass sich das Geschäfts­klima wei­ter­hin spürbar verbessert.

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