Wer hilft der Ukraine?

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Unser Autor Yevhen Anhel hat Donald Trumps Behaup­tung, „Europa tue nichts für die Ukraine“ einem Fak­ten­check unter­zo­gen. Dabei stellt sich heraus, dass Europa sogar „mehr für die Ukraine tut“ als die USA.

Portrait von Yevhen Anhel

Yevhen Anhel ist Rese­arch Fellow am Insti­tut für Wirt­schafts­for­schung und Poli­tik­be­ra­tung in Kyjiw.

Das mitt­ler­weile berühmte Tele­fo­nat zwi­schen US-Prä­si­dent Trump und Prä­si­dent Selen­skyj, das im Sep­tem­ber an die Öffent­lich­keit drang, zog viel Auf­merk­sam­keit auf die Biden-Affäre und mög­li­che Kon­se­quen­zen für die Mili­tär­hilfe der USA. Trumps Bemer­kun­gen darüber, dass Europa nichts für die Ukraine tue, ins­be­son­dere im Ver­gleich zu den USA, wurden dabei weniger beachtet.

Uns haben sie aller­dings dazu ver­an­lasst, die Fakten zusam­men­zu­stel­len und die Finanz­hil­fen der EU und anderer Geber seit 2014 zu ver­glei­chen – dazu Tabelle 1 über die EU und Tabelle 2 über andere inter­na­tio­nale Agen­tu­ren und bila­te­rale Geber.

Hilfs­leis­tun­gen der EU

Im März 2014 wurde von der EU ein großes Hilfs­pa­ket für die Ukraine ange­kün­digt. Ursprüng­lich sollten sich alle Maß­nah­men zusam­men (Ent­wick­lungs­hilfe, Makro­fi­nanz­hilfe, Kredite der Euro­päi­schen Bank für Wie­der­auf­bau und Ent­wick­lung (EBWE) und der Euro­pean Invest­ment Bank (EIB)) auf über 11 Mil­li­ar­den Euro belau­fen. Die Zusagen der EU haben sich dann aber auf über 14,4 Mil­li­ar­den Euro erhöht (s. Tabelle 1). Des Wei­te­ren haben sich die EU-Mit­glieds­staa­ten zu 1,7 Mrd. Euro Ent­wick­lungs­hilfe für 2014–2017 ver­pflich­tet, wodurch eine Gesamt­summe von 16,1 Mrd. Euro erreicht wird. Im selben Zeit­raum wurden ins­ge­samt nur rund 10,4 Mrd. Euro aus­ge­zahlt (63 % der zuge­sag­ten Summe). In dieser Zahl sind bereits Aus­zah­lun­gen „alter“ Pro­jekte der EBWE und EIB von vor 2014 ent­hal­ten, die von der ukrai­ni­schen Regie­rung, lokalen Behör­den und pri­va­ten Unter­neh­men weiter ver­folgt werden. Demnach ist in Wahr­heit die Aus­schüt­tung bei Pro­jek­ten für den Zeit­raum von 2014–2019 gerin­ger, aller­dings finden sich in öffent­li­chen Quellen nicht aus­rei­chend detail­lierte Infor­ma­tio­nen über Zah­lun­gen der EBWE und EIB.

Zwi­schen dem 30. Juni 2014 und dem 30. Juni 2019 wurden von der EBWE rund 3,5 Mrd. Euro aus­ge­zahlt (Kredite und Kapi­tal­be­tei­li­gun­gen). Das ent­spricht 75 % der Gesamt­zu­sa­gen der EBWE. Aller­dings ist der Anteil der Zah­lun­gen aus „alten“ Pro­jek­ten nicht klar. Dem Finanz­be­richt der EBWE zufolge waren Ende 2018 ins­ge­samt 1,7 Mrd. Euro noch nicht ausgezahlt.

Die Ukraine hinkt bei der Umset­zung von Pro­jek­ten der EIB hin­ter­her. Zwi­schen 2014 und 2019 haben die EIB und ihre Partner in der Ukraine Pro­jekte im Wert von 3,8 Mrd. Euro unter­zeich­net. Die Höhe der Aus­zah­lung ist aller­dings sehr gering und liegt im Zeit­raum 2014–2018 bei nur rund 0,6 Mrd. Euro. Im Port­fo­lio der EIB in der Ukraine herr­schen Pro­jekte im öffent­li­chen Bereich vor (kom­mu­nale Infra­struk­tur und öffent­li­che Ver­kehrs­mit­tel, Bildung, Verkehr etc.). In der ukrai­ni­schen Regie­rung und den lokalen Behör­den fehlt es wahr­schein­lich an Kapa­zi­tä­ten, um bewil­ligte Pro­jekte umzu­set­zen. Ende 2018 lagen die noch nicht aus­ge­schüt­te­ten Kredite der EIB in der Ukraine bei 3,5 Mrd. Euro.

Seit 2014 hat sich die EU gegen­über der Ukraine in vier Makro­fi­nanz­hilfe-Pro­gram­men (MFA) zur Zahlung von 4,4 Mrd. Euro ver­pflich­tet. Dabei hat die Ukraine bisher noch nicht die 600 Mio. Euro des dritten MFA-Pro­gramms erhal­ten, weil sie ihren Ver­pflich­tun­gen nicht nach­ge­kom­men ist. Zudem wurden 500 Mio. Euro des vierten MFA-Pro­grams noch nicht ausgezahlt.

Die Euro­päi­sche Kom­mis­sion hat seit 2014 rund 1,5 Mrd. Euro För­der­mit­tel für Ent­wick­lungs- und huma­ni­täre Hilfe zuge­sagt. Dieser Ver­pflich­tung ist man nach­ge­kom­men, da fast die Gesamt­summe aus­ge­schüt­tet wurde.

Zudem unter­stütz­ten auch EU-Mit­glieds­staa­ten die Ukraine mit För­der­mit­teln, Kre­di­ten und Kapi­tal­be­tei­li­gun­gen. Zwi­schen 2014 und 2017 erreich­ten diese rund 1,7 Mrd. Euro, wovon 1,5 Mrd. Euro aus­ge­schüt­tet wurden (86 %). Den Groß­teil der Ver­pflich­tun­gen machten För­der­mit­tel aus (rund 1,3 Mrd. Euro, 1,2 Mrd. aus­ge­schüt­tet); die Höhe der Kredite belief sich auf 367 Mio. Euro (217 aus­ge­zahlt) und die der Kapi­tal­be­tei­li­gun­gen auf etwa 5 Mio. Euro (kom­plett aus­ge­zahlt). Deutsch­land war dabei der größte Geber mit Ver­pflich­tun­gen von rund 1 Mil­li­arde Euro und 786 Mil­lio­nen Euro Aus­zah­lun­gen. Zu den anderen großen Gebern zählen unter anderem Schwe­den (122 Mio. aus­ge­zahlte För­der­mit­tel), Polen (118 Mio. Euro), Groß­bri­tan­nien (106 Mio. Euro) und Frank­reich (62 Mio. Euro).

Tabelle 1. Hilfs­zah­lun­gen der EU-Insti­tu­tio­nen, euro­päi­scher Finanz­in­sti­tu­tio­nen und EU-Mitgliedsstaaten
Geber Ver­pflich­tun­gen (2014–2019) in Mio. Euro Aus­zah­lun­gen (inkl. alter Pro­jekte) in Mio. Euro  

Aus­ge­zahlt
(% der Verpflichtungen)

EBWE (Kredite und Kapitalbeteiligungen) 4.689 3.500 (Juni 2014 bis Juni 2019) 75 %
EIB (Kredite) 3.799 636 (2014–18) 17 %
MFA (Kredite) 4.400 3.300 (2014–19) 75 %
EU-Ent­wick­lungs­hilfe (inkl. huma­ni­tä­rer Hilfe) 1.514 1.493 (2014–19) 98.6 %
EU-Mit­glieds­staa­ten (För­der­mit­tel und Kredite) 1.692 (2014–2017) 1.455 (2014–2017) 86 %
GESAMT 16.094 10.384 65 %
Andere Geber

Im April 2014 hat das Exe­ku­tiv­di­rek­to­rium des IWF eine zwei­jäh­rige Bereit­schafts­kre­dit­ver­ein­ba­rung (SBA) in Höhe von rund 17 Mrd. USD gebil­ligt, von der der IWF 4,5 Mrd. USD aus­ge­schüt­tet hat. Im März 2015 wurde die SBA von 2014 durch eine erwei­terte Fonds­fa­zi­li­tät in Höhe von 17,5 Mrd. USD ersetzt. Davon hat die Ukraine 6,6 Mrd. USD 2015, 1 Mrd. USD 2016 und 1 Mrd. USD 2017 erhal­ten. Diese Ver­ein­ba­rung wurde auf­grund feh­len­der Refor­men aus­ge­setzt. Im Dezem­ber 2018 hat das Exe­ku­tiv­di­rek­to­rium des IWF eine 14-mona­tige SBA in Höhe von rund 3,9 Mrd. USD gebil­ligt, von der die Ukraine nur 1,4 Mrd. USD zur sofor­ti­gen Aus­zah­lung abge­ru­fen hat. Ins­ge­samt hat der IWF 14,6 Mrd. USD an die Ukraine aus­ge­schüt­tet (51 % der Ver­pflich­tun­gen) (siehe Tabelle 2).

Tabelle 2. Andere Geber
Geber                                                  Ver­pflich­tun­gen (2014–2019),

       in Mio. USD

Aus­zah­lun­gen

in Mio. USD

Aus­zah­lun­gen

% der Verpflichtungen

Inter­na­tio­nale Finanzinstitutionen
IWF 28.537 14.561 51 %
Welt­bank­gruppe IBRD (Kredite) 5.899 2.763 (2014–2019) 47 %
IFC (Kredite, Kapi­tal­be­tei­li­gun­gen, Beratungsleistungen) 380 ? ?
Gesamt 6.279 ? ?
Bila­te­rale Hilfen
USA US-Aus­lands­hilfe 2.093 1.950 (Finanz­jahr 2014–2019) 93 %
US-Kre­dit­ver­ein­ba­rung (Kre­dit­ga­ran­tien) 3.000 3.000 (2014–2016) 100 %
Gesamt 5.093 4.950 97 %
Kanada ~592

(785 CAD)

552 (2014–2017) 93 % (?)
Japan Kredite 1.552 (2014–2016) 434 (2014–2017) 28 %
Gesamt 1.594 (2014–2016) 465 (2014–2017) 29 %

 

Die Welt­bank­gruppe inklu­sive der IBRD und der IFC haben dem öffent­li­chen und pri­va­ten Sektor der Ukraine Kredite zur Ver­fü­gung gestellt. Seit 2014 hat das Direk­to­rium der IBRD Pro­jekte im öffent­li­chen Bereich in Höhe von 5,9 Mrd. USD bewil­ligt. Ende Sep­tem­ber 2019 wurden im Rahmen dieser Pro­jekte 2,8 Mrd. USD aus­ge­zahlt. Die Umset­zung lokaler und Infra­struk­tur­pro­jekte erfolgt nur langsam. Darüber hinaus fördert die IFC die Ent­wick­lung der Pri­vat­wirt­schaft in der Ukraine. Ihre Inves­ti­tio­nen belie­fen sich auf 350 Mio. USD (haupt­säch­lich Kredite, nur 15 Mio. USD für Kapi­tal­be­tei­li­gun­gen). Die Höhe der Aus­zah­lun­gen ist öffent­lich zugäng­li­chen Quellen nicht zu entnehmen.

Die USA haben in den Finanz­jah­ren 2014–2019 rund 5 Mrd. USD bila­te­rale Hilfen geleis­tet (Daten für 2018–2019 evtl. unvoll­stän­dig). Die Summe setzt sich zusam­men aus rund 2 Mrd. USD Ent­wick­lungs­zu­schüsse (inkl. Mili­tär­hil­fen) und drei Kre­dit­ga­ran­tie­ab­kom­men über jeweils 1 Mrd. USD.

Die japa­ni­sche Regie­rung hat sich zu rund 1,6 Mrd. USD über­wie­gend über Kredite ver­pflich­tet (97 %). Aller­dings erreichte die Aus­zah­lung nur ein Volumen von 465 Mio. USD (inkl. 434 Mio. Kredite). Das wich­tigste Projekt ist dabei das 1 Mrd. USD umfas­sende Projekt zur Moder­ni­sie­rung der Abwas­ser­auf­be­rei­tungs­an­lage in Bort­nyt­schi. Dieses Projekt ist in vollem Gange und die Moder­ni­sie­rung soll bis 2025 abge­schlos­sen sein.

Und auch Kanada ist ein wich­ti­ger Geber der Ukraine. Seit Januar 2014 belau­fen sich seine Ver­pflich­tun­gen auf über 592 Mio. USD (785 Mio. CAD). 2014–2017 zahlte Kanada 552 Mio. USD aus, dar­un­ter zwei Kredite in Höhe von 338 Mio. USD (400 Mio. CAD).

 Fazit

 Die meisten Finanz­hil­fen an die Ukraine seit 2014 werden vom IWF über die Makro­fi­nanz­kre­dite in einer Gesamt­höhe von 28,5 Mrd. USD geleistet.

Der zweit­größte Geber war die EU mit 16 Mrd. Euro Ver­pflich­tun­gen, wobei die För­der­mit­tel und Kredite durch die Mit­glieds­staa­ten sowie durch Kredite und Inves­ti­tio­nen von der EBWE und der EIB ergänzt wurden.

An dritter Stelle steht die Welt­bank­gruppe mit Kredit- und Inves­ti­ti­ons­zu­sa­gen in Höhe von 6 Mrd. USD.

An vierter Stelle folgen die USA mit Zusagen in Höhe von 5 Mrd. USD, gefolgt von Japan und Kanada.

Die bis­he­ri­gen Aus­zah­lun­gen von Hilfs­zu­schüs­sen sind fast voll­stän­dig erfolgt, die für Kredite aus zwei nach­voll­zieh­ba­ren Gründen weniger. Erstens unter­lie­gen Makro­fi­nanz­kre­dite poli­ti­schen Bedin­gun­gen, die nicht voll­stän­dig erfüllt wurden. Zwei­tens haben Kre­dit­leis­tun­gen für Infra­struk­tur­pro­jekte im besten Falle wegen Vor­be­rei­tungs­ar­bei­ten lange Vor­lauf­zei­ten. Aller­dings ver­fü­gen die öffent­li­chen Stellen in der Ukraine im Gegen­satz zur Pri­vat­wirt­schaft, die die Mög­lich­kei­ten nutzt, noch immer über geringe Kapa­zi­tä­ten für die Umsetzung.

 

Hinweis zu den Quellen: Die Berech­nun­gen basie­ren auf Daten aus öffent­lich zugäng­li­chen Quellen, dar­un­ter Jah­res­be­richte der Finanz­in­sti­tu­tio­nen, Daten­ban­ken zur Ent­wick­lungs­hilfe, offi­zi­el­len Info­gra­fi­ken, Erklä­run­gen, Pro­jekt­lis­ten und Zusam­men­fas­sun­gen. Durch die zeit­li­che Ver­zö­ge­rung der Ver­öf­fent­li­chung waren für 2018 und 2019 nur teil­weise Daten verfügbar.

Dieser Artikel erschien zuerst im Rahmen des „Under­stan­ding the EU’s Asso­cia­tion Agree­ments and Deep and Com­pre­hen­sive Free Trade Areas with Ukraine, Moldova and Georgia“ hier

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